WM Budapest - Shanice Craft und Henrik Janssen belegen jeweils Rang 7 und 8 in hochklassigen Diskuswurfwettkämpfen

Vom 19. bis 27.August 2023 fanden die 19. Weltmeisterschaften der Leichtathleten im Nationalen Leichtathletik-Zentrum in Ungarns Hauptstadt - Budapest statt. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hatte 71 Athleten und Athleteninnen ins DLV-Aufgebot berufen - vier von ihnen aus Sachsen-Anhalt. Mit insgesamt 2.000 Leichtathleten aus 200 Nationen nahmen hierbei soviele Teilnehmer an einer WM seit 1983 teil, wie noch nie.

Es gab einige Neuerungen zu beachten, wie bspw. aus zehn mach neun Wettkampftage. Das Bahnsetzungsschema wurde geändert oder das Weiterkommen in den Mittelstreckenläufen wurde über Platzierungen und nicht mehr über Zeiten geregelt. Durch die Programmstraffung zum einen, versprach sich der Leichtathletik-Weltverband eine höhere Attraktivität und mehr Spannung an den einzelnen Wettkampftagen. So waren in den Abendsessions stets mindestens vier Finals angesetzt, welche durch das faire Publikum im 35.000-Mann großen Stadion leidenschaftlich bejubelt und unterstützt wurden. Zum anderen sollten durch die Platzregelungen Bummelrennen in den Läufen vermieden werden. Freie Bahnen galt es zu vermeiden, indem mit Nachrückerplätzen für eigentlich qualifizierte Athleten für Endläufe gearbeitet wurde, die ggf. verletzungsbedingt ausfielen (hot seat system).

Henrik Hanssen vom SC Magdeburg machte im Diskuswurf der Männer den Anfang für Sachsen-Anhalt. In einer spannenden Qualifikationsrunde setzte er sich mit 63,79 m als 12. knapp vor seinen anderen beiden deutschen Mitstreitern ins Finale der besten 12 durch. In seinem ersten Finale selbst gelang ihm mit 63,80 m schließlich der 8. Platz, was laut Aussage seines Trainers Jörg Schulte eine gute Leistung für den erst 25-Jährigen Hünen darstellt. Um im Kampf der ganz Großen mittlerweile 70 m-Werfer mitzuwerfen, gilt es noch mehr internationale Erfahrung zu sammeln und das Nerverkostüm zu stärken.

Henrik Janssen www.leichtathletik.de, 21.08.2023:

Das war in dem Moment ganz schön viel: Ich musste zittern, ich war früh dran im dritten Versuch, da kamen noch ein paar hinter mir. Ich habe dann mit meinem Trainer Jörg Schulte gebangt, und anschließend musste ich direkt wieder in den Ring für den vierten Versuch – der ging sehr schnell rum, da ist die Anspannung abgefallen, auch im fünften Versuch, den habe ich nicht gut getroffen und ungültig gemacht. Das waren dann alles nicht mehr die Top-Versuche. Aber ich bin trotzdem total happy! Ich habe voll und ganz erreicht, was ich wollte. Das sind Erfahrungswerte auch für das nächste Jahr und die Olympischen Spiele, wo ich dann hoffentlich auch weiter werfe, wenn ich denn die Chance kriege. Die Leistungen an der Spitze waren wahnsinn. Da hat sich der Čeh schon über die 70 Meter gefreut, alle Fotografen sind zu ihm hingestürmt, und dann lässt sich der Ståhl seine Zeit und wirft noch weiter. Ich habe das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommen.

Die zweite Starterin im Bunde war Shanice Craft vom SV Halle, die sich mit dem Gewinn einer Medaille viel vorgenommen hatte. Anzumerken ist, dass auf die deutschen Diskuswerferinnen wieder einmal Verlass war - wie bereits im letzten Jahr bei der WM in Eugene (USA) hatte ein DLV-Trio den Finaleinzug geschlossen perfekt gemacht und wieder waren es Claudine Vita (Qualifikationsplatz 4, SC Neubrandenburg), Shanice Craft (Qualifikationsplatz 6, SV Halle) und Kristin Pudenz (Qualifikationsplatz 10, SC Potsdam), die in der Runde der besten Zwölf der Welt einzogen.

Das Finale im Diskuswurf der Frauen hatte es schließlich in sich: nur einmal in den zurückliegenden 30 Jahren reichte eine 67-m-Weite nicht für eine Medaille. Die Chinesin Bin Feng sicherte sich mit 68,20 m die Bronzemedaille vor Jorinde van Klinken (Niederlande; 67,20 m). Auf den Plätzen 6 und 7 platzierten sich Kristin Pudenz mit 65,98 m und Shanice Craft mit 65,47 m. Der Weltmeistertitel ging mit 69,49 m an die Überraschungssiegerin Laulauga Tausaga (USA) vor der hocheingeschätzten Valerie Allmann (USA), die auch 69,23 m aus dem Arm schüttelte.

Shanice Craft www.leichtathletik.de, 22.08.2023:

Platz sieben ist es geworden. Das war nicht das Ziel. Ich bin angereist, um eine Medaille zu holen. Was die Weite angeht, war es kein schlechter Wettkampf von mir. Das Timing hat nicht gestimmt. Ich war an sich schnell im Ring, aber zu schnell im Oberkörper, dadurch konnte ich nicht optimal beschleunigen. Es hat einfach nicht gereicht, um vorne mitzuspielen. Die Weiten auf eins bis drei waren krass, Respekt! Ich habe erwartet, dass ich für eine Medaille Bestleistung werfen muss, aber dass Platz eins und zwei mit 69 Metern weggehen, ist schon krass. Die Stimmung ist viel besser als in Eugene, es hat Spaß gemacht zu werfen.

Die Dritte im Bunde war Sara Gambetta vom SV Halle; die erst am vorletzten Wettkampftag im Kugelstoßen der Damen ins Wettkampfgeschehen eingreifen durfte. Diesmal gelang ihr mit 18,70 m gleich im ersten Versuch, die Qualifikationsrunde in die Top 12 zu überstehen. Als Neunbeste war ihr die Freude anzusehen. Sara Gambetta hatte als Olympia-Achte 2021, Fünfte der EM 2022 und Hallen-Vize-Europameisterin 2023 bei ihren zurückliegenden internationalen Auftritten stets den Sprung in die Top Acht geschafft. In Budapest gelang dies leider nicht - mit zwei Stößen von jeweils 18,70 m und 18,71 m wurde sie Zwölfte.

Sara Gambetta www.leichtathletik.de, 26.08.2023:

Mit meiner Weite bin ich natürlich nicht zufrieden, ich hätte gerne hier gezeigt, dass ich 19 Meter stoßen kann. Hat leider nicht geklappt. Aber für mich war es sehr emotional heute Morgen, dass ich überhaupt ins WM-Finale gekommen bin, nachdem ich zwei Mal bei den vorhergehenden Weltmeisterschaften ganz bitter in der Quali mit Platz 13 ausgeschieden bin. Zudem bin ich vor ein paar Tagen krank geworden, ich glaube man hört es noch ein bisschen. Aber dank der tollen Arbeit der DLV-Ärzte und des Physioteams konnte ich heute fit an den Start gehen. Und ich kann zufrieden sein: Platz zwölf in der Welt, das kann ich mit nach Hause nehmen! Die Atmosphäre hier im Stadion ist der Wahnsinn! Ich bin seit zehn Tagen hier und habe den einen oder anderen Wettkampf gesehen, vor allem die beiden Diskusfinals. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, und es ist definitiv meine schönste WM bisher.

Das Nesthäcken, von gerade einmal 18 Jahren, war die U20-Europameisterin mit der 4 x 100 m Staffel, Chelsea Kadiri vom SC Magdeburg. Als Ersatzstarterin war sie ins DLV-Team berufen wurden, um im Fall der Fälle in das ausgedünnte Frauenstaffelteam um Gina Lückenkemper für Unterstützung zu sorgen und selbst Erfahrungen auch im Hinblick auf die Olympischen Spielen 2024 in Paris zu sammeln. Die Staffeldamen liefen in 42,98 s als Sechste ins Ziel.

Leider endeten die sehr gut organisierten Weltmeisterschaften in Budapest, trotz vieler Finalplatzierungen, persönlicher Bestleistungen und auch Deutscher Rekorde für das DLV-Team das erste Mal in der Geschichte, ohne eine Medaille. Es ist nun mal das Wesen des Sports, Erfolge in Medaillen zu messen, sodass starke persönliche Ergebnisse vom breiten Publikum (leider) als solche nicht wahrgenommen werden. In der Nationenwertung per se, welche sich an den Finalplatzierungen 1 - 8 orientiert, lagen die Deutschen zum Stichtag 27.08.2023 am Vormittag zumindet auf dem 13. Platz. 41 Nationen hatten jedoch bis dahin bereits mindestens eine Medaille erkämpft.

Nun gilt es tatsächlich mehr als nur zu hinterfragen, warum die frühe Medaillenschmiede Deutschland dem Anschluss an die Welt hinterher eilt. Was machen andere Verbände bzw. Länder mittlerweile anders in ihrer Sportförderung, in ihrer dualen Karriere u.a. ihrer zunächst zweiten Reihe von Athleten und Athletinnen? Wie gelingt es besser, den vorhandenen Nachwuchs in die Klasse der Aktiven zu überführen; bzw. ist Leistungssport als solcher in der Gesellschaft überhaupt noch gewünscht - falls die Antwort ja lautet - dann sollte die Unterstützung mindestens bereits beim Ausrichten von Wettkämpfen als (zumeist ehrenamtlicher) Kampfrichter/Helfer, beim Unterstützen der nach wie vor großen Kinder/Trainingsgruppen als Übungsleiter/Trainer beginnen bzw. bürokratische Hemmschuhe, monatelange Wartezeiten für Ausschreibungen u.m. beim Instandsetzen von mittlerweile in die Jahre gekommenen Sportstätten abgebaut werden. In der Folge muss mindestens mit Beendigung der Schulzeit entweder eine staatliche oder aber eine privatwirtschaftliche Möglichkeit für talentierte Athleten und Athleteninnen, gern in einer Art Stufenregelung geschaffen werden, diese temporär so zu unterstützen, dass sie sich ohne Ausbildungs/Studiums-, Wohnungs-, Lebensmittel-, Material- und/oder Trainingsstandortnot zu 100 Prozent auf ihren Sport konzentrieren können. Es scheint, als könne aktuell nur noch die Ausrichtung der Olympischen Spiele, gern 2036 helfen, um den Sanierungsstau aufzulösen, die klammen Kassen der Städte zu füllen und um u.a. eine Art kaskadenartigen Weckruf zu erzeugen - Motivation der Kleinsten und ihren Eltern sowie (künftigen) Trainergenerationen durch langfristig Planung (private Meinung des Autors).

Melanie Schulz